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cheapbag214s
Posted: Mon 18:38, 02 Sep 2013
Post subject: Der Zoff unter den Sportkönigen der Kleinstadt Nik
Der Zoff unter den Sportkönigen der Kleinstadt
Der Messias trägt einen Oberlippenbart, weiße Jeans und an den Füßen Sneakers von Nike. Seine Botschaft steht weiß auf rot auf dem Hemdsärmel geschrieben: "Aus Liebe zum Sport". In einem abgedunkelten Saal am Stadtrand von Heilbronn hat er zu seinen Jüngern gesprochen, die Platz genommen hatten an orangebraunen Biertischen. Sie hatten auf seine Worte gewartet und wurden nicht enttäuscht. Er nannte die neuesten Trends des Sporthandels - und untermauerte sein Wissen mit einer farbenprächtigen Powerpoint-Präsentation, mit Fotos von Chinesen, die im Morgengrauen Tai-Chi machen ("Wir leben von der Asien-Power"), mit ermutigenden Zahlen. Und die Jünger erfuhren, was in sein wird im Sommer 2011.
Klaus Jost,
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, 49, ein schlaksiger Manager mit hessischem Idiom, ein Marathonmann ("Unter vier Stunden ist in der Regel meine Zeit"), nennt seine Auftritte mit einem Augenzwinkern selbst "Bergpredigten". Doch während Jesus von Nazareth in seinem Leben nur eine Bergpredigt hielt, ist der Chef von Europas größtem Sporthändler Intersport fünf Tage in Folge auf der hausinternen Ordermesse gefordert. Täglich um Punkt zehn Uhr steigt er im Heilbronner Redblue-Forum aufs Podium. Jost ist einer der mächtigsten Männer im deutschen Einzelhandel. Jeden dritten Euro, den die Deutschen beim Sportfachhandel lassen, geben sie in einem Intersport-Geschäft aus. Der Umsatz liegt bei 2,7 Milliarden Euro. Damit ist Intersport in Deutschland der weitaus wichtigste Vertriebskanal von Adidas, Jack Wolfskin, Puma Co. Wer Turnschuhe, Fußbälle oder Wanderhosen verkaufen will, kommt kaum an Intersport vorbei.
Filialen gibt es selbst in Kleinstädten. Doch über die Firma ist nur wenig bekannt. Die Intersport-Welt ist ein diskret operierendes Universum. Es wird so straff geführt, dass es vielen der 1000 Genossen gehörig Respekt einflößt - und immer mehr auch Furcht.
Es ist symptomatisch für die Intersport-Welt, dass sich keiner der von der "Welt am Sonntag" befragten Händler, die kritische Worte über die Zentrale finden,
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, namentlich zitieren lässt. "Lassen Sie meinen Namen da raus, sonst bekomme ich massiven Ärger", ist immer am Ende von Geschichten zu hören, in denen es um die berufliche Existenzen geht, um Insolvenzen und Klagen über ein zunehmend arrogantes Auftreten der Zentrale.
Ursprünglich wurde Intersport als reine Einkaufsgenossenschaft gegründet. Die Idee: Kleine Händler schließen sich zusammen und schlagen als Großeinkäufer bei Adidas und Co. bessere Konditionen raus. Doch Intersport ist längst viel mehr als eine Einkaufsgenossenschaft. Das Unternehmen wandelt sich zum Rundumbetreuer, der mit den Sportartikelkonzernen auf Augenhöhe verhandelt, der die wirtschaftliche Lage jedes einzelnen Händlers kennt und in den Geschäften auch mal nachschaut, ob der Teppich fleckig ist.
Sie schieben Stehpulte auf Rollen vor sich her, auf denen ein Laptop liegt und daneben der zwei Daumennagel dicke Katalog. Rund 800 Händler sind in den drei Hallen der Intersport-Zentrale unterwegs, um ihre Bestellungen zusammenzustellen, damit endlich die Nähmaschinen in China und Vietnam rattern können. Sechs Wochen brauchen die T-Shirts, Shorts und Turnschuhe dann auf dem Seeweg von Fernost nach Hamburg, dann geht es im Lkw weiter ins Lager nach Heilbronn. Eine Million Päckchen und Pakete jährlich werden von dort an die deutschen Händler geschickt. Intersport ist ein Logistikriese.
Die Händler auf der Messe in Heilbronn schieben sich durch die grellen Warenwelten von rund 100 Herstellern. Sie betasten Turnschuhe, befühlen T-Shirts und Softshell-Jacken, blicken auf den LVK, den Lagerverkaufspreis,
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, und die UPE, die unverbindliche Preisempfehlung, und tippen anschließend die Bestellung in ihren Computer. Liegt bei einem Trainingsschuh der LVK bei 38,
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,10 Euro, beträgt die UPE 79,95 Euro. Die Margen im Sporthandel sind beachtlich.
Intersport fing 1956 als kleiner Einkaufsverbund an. Damals schlossen sich 15 Sporthändler zusammen, die günstiger bei den Sportartikelherstellern einkaufen wollten. Einer saß in Heilbronn, also kam die Zentrale dorthin. Intersport wurde zum Exportschlager und ist heute stärker denn je: Zum Imperium gehören 5200 Geschäfte in 39 Ländern, die für einen Umsatz von 9,5 Milliarden Euro sorgen. Mächtigster Verbund ist der in Deutschland mit 1000 Mitgliedern und 1400 Verkaufsstellen. Intersport Deutschland kann sich eine eigene Bank, die RSB-Bank, eine Versicherung, eine Beteiligung am Schuhgeschäfteverbund SABU sowie 57 eigene Läden namens Intersport Voswinkel leisten.
Ein Sporthändler, der Intersportler werden will, um von der Finanzkraft, der Einkaufsmacht und der Markenstärke des Konzerns zu profitieren, stellt einen Aufnahmeantrag und legt einen Businessplan vor. Intersport prüft daraufhin Kennziffern wie die Eigenkapitalquote und stellt Standortanalysen an. Doch Jost sagt: "Zahlen hin, Zahlen her - letztlich ist aber auch die Persönlichkeit des Händlers entscheidend und die Frage, ob seine ganze Familie dahintersteht."
Genosse wird,
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, wer dann eine Einlage von 20.000 bis 40.000 Euro bezahlt. Und sich unter die Aufsicht der Zentrale stellt. Die kennt den Verschuldungsgrad, die Bestellungen,
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, die Vorlieben für bestimmte Marken, die geschäftliche Entwicklung. Jeder Händler muss seine Bilanz vorlegen. Intersport hat ein Ampelsystem entwickelt. Blinkt die Farbe Rot bei Jost und seinem Vorstandskollegen Kim Roether auf dem PC-Schirm auf, ist die Lage für einen Händler bedrohlich. Intersport prüft dann, was los ist. Warum brechen die Umsätze ein? Hat der Händler die falsche Ware im Angebot? Droht gar die Insolvenz? "Bei mehr als 80 Prozent unserer Mitglieder steht die Ampel jedoch dauerhaft auf Grün", sagt Jost. Wird aber Rot zur Dauerbeleuchtung, kann Intersport ungemütlich werden - und den Ausschluss anstrengen. Schließlich sind die Heilbronner in der Regel auch die größten Gläubiger ihrer Eigentümer.
"Zeigen Sie mir eine demokratischere Veranstaltung als Intersport", sagt Jost. "Niemand wird zum Mitmachen gezwungen." Dass es in seinem Reich rumort, räumt der "Gott von Intersport" (so ein Händler) unumwunden ein. So sorgte der "Fall Fröhlich" kürzlich für Unruhe. Hartmut Fröhlich war über Jahrzehnte Intersport-Vorstand und ein angesehener Mann. Nun hat der Rentner eine Klage des Aufsichtsrats am Hals. Der soll 9,3 Millionen Euro fordern, wie Beteiligte berichten, und das damit begründen, dass "Schaden aus Organisationsmängeln bei der Debitorenbuchhaltung" zu regulieren sei. Es gehe nicht um persönliche Bereicherung, betont Intersport, sondern um eine Verletzung der Aufsichtspflicht. Anders gesagt: Bei den Abrechnungen soll geschlampt worden sein, und Fröhlich hatte als Vorstand die Oberaufsicht.
Im Fall Intersport gegen Fröhlich schlägt die Stunde der Anwälte. Die Sache ist so spannend, weil schon der Chefbuchhalter und eine Mitarbeiterin gehen mussten - und sie das Allerheiligste bei Intersport betrifft: die Abrechnungen. Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung sind für Intersport eine Katastrophe. Schließlich wickelt die Zentrale den Zahlungsverkehr aller Intersport-Eigentümer mit den Sportartikelherstellern ab. Es geht um 22 Millionen Belege pro Jahr. "Wir bezahlen allen Lieferanten alle Rechnungen und bürgen", beschreibt Jost das Geschäftsprinzip.
Das hat für die Hersteller den Charme, dass sie sich nicht mit jedem einzelnen Händler auseinandersetzen müssen, sondern ihr Geld direkt von Intersport bekommen. Und auch den Sporthändlern erleichtert die sogenannte Zentralregulierung die Arbeit. Zudem zählte in der Intersport-Welt lange der Solidaritätsgedanke. Geriet ein Händler in Schieflage, bekam er Hilfe. Dafür stand vor allem auch Fröhlich. Auch daher sorgt das Vorgehen gegen ihn für Befremden. "Ich finde das bodenlos", sagt eine Händlerin. "Ohne Herrn Fröhlich gäbe es mein Geschäft nicht mehr."
"Wir dürfen uns nicht ausnutzen lassen", sagt Jost. "Aber wir gehören auch nicht zu denen,
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, die bei Sonnenschein Regenschirme austeilen und sie dann beim ersten Regentropfen gleich wieder einsammeln." Zehn bis 15 Händler des Intersport-Verbunds scheiden Jahr für Jahr aus wirtschaftlichen Gründen aus. Oft ist, neben der Geschäftsaufgabe aus Altersgründen, die Insolvenz der letzte Schritt.
Dass sich viele Intersport-Händler so über die Causa Fröhlich echauffieren, zeigt ein tiefer liegendes Unbehagen. Die Intersport-Welt ist ein heterogenes Gebilde. Ihr gehören kleine Händler mit nur einem Geschäft und 300.000 Euro Jahresumsatz an, aber auch große Ketten wie Sport Scheck mit mehr als 300 Millionen Euro Umsatz. Es gibt die traditionellen Kaufleute, deren Geschäfte Sporthaus Müller oder Meyer heißen und die auf den ersten Blick nicht als Teil der Heilbronner Genossenschaft zu erkennen sind. Und dann gibt es die sogenannten Systempartner, die Einlagen von unter 5000 Euro bezahlen, um den Namen Intersport im Schild zu führen. Was nach einer Kleinigkeit klingt, hat weitreichende Konsequenzen. Denn Intersport hat bei jedem der Systempartner deutlich mehr Mitspracherechte. "Da fühlt man sich nicht mehr wie ein Besitzer, sondern eher wie ein Filialleiter", sagt einer der Partner.
Manager Jost verweist auf die Notwendigkeit,
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, die Marke im Sinne aller Genossen zu schützen - während mancher Sporthändler einen fortschreitenden Machtausbau der Heilbronner Zentrale zu erkennen glaubt. Die wolle immer mehr mitreden, über die Dekorierung im Geschäft, über das Sortiment, die Beleuchtung. Deshalb preise Jost in seiner "Bergpredigt" auch die Eigenmarken von Intersport, wie McKinley,
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, Pro Touch oder Etirel.
Deren Anteil liegt bereits bei 15 Prozent - und dürfte weiter steigen. Es gebe einen großen Druck, mehr von diesen Artikeln ins Sortiment zu nehmen, sagen Händler. Intersport erschließt sich ein neues Geschäftsfeld: Man ist nicht mehr nur Händler,
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, sondern auch Hersteller. Intersport setzt weltweit mit seinen sechs Eigenmarken geschätzte 1,5 Milliarden Euro um. Zum Vergleich: Puma erlöste im vergangenen Jahr 2,5 Milliarden Euro - Intersport ist einer der weltgrößten Sportartikelhersteller.
Welche Bedeutung die Eigenmarken haben, macht auch die Ordermesse in Heilbronn deutlich. Eine von drei Hallen ist nur ihnen gewidmet. Am Eingang zur Halle A sitzt ein Sicherheitsmann, der verhindern soll, dass sich Spione der Konkurrenz unters Händlervolk mischen und Einblicke in die neuen Kollektionen erhaschen. Auch hier rollen die Stehpulte, hier können die Händler sehen, wie sie künftig Mailing-Aktionen organisieren sollen, wie viele Bügel an einem Kleiderständer zu hängen haben. Wer unsicher ist, welche Waren er auf seinem elektronischen Einkaufszettel ankreuzt, für den gibt es farbliche Unterstützung. Rot heißt: gesetzt. Blau bedeutet: Ergänzungsartikel. Gelb heißt: Kann-Artikel.
Manchem Händler kommt das vor wie ein Eingriff in seine Geschäftshoheit. Aus einem Zusammenschluss von Einkaufsgenossen, so die Befürchtung, wird ein verkapptes Franchiseimperium: ein McDonald's des Sports. Gerade die kleinen, alteingesessenen Händler sträuben sich. Dass Intersport als straff organisierte Genossenschaft leichter seine Expansion vorantreiben könnte, ist ihnen erst einmal egal. Sie sind in ihren Kleinstädten sowieso die Sportkönige.
Es ist der Kern des Konflikts: In der Zentrale sitzen Jost und seine Kollegen, sie wollen expandieren, weiße Flecken auf der Deutschlandkarte besetzen,
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, die Bekanntheit der Marke Intersport ausbauen, missliebige Konkurrenten aus dem Ausland fernhalten. Und dazu sind sie auch bereit,
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, Tabubrüche zu begehen. Wie im Fall Voswinkel.
2003 kaufte Intersport die Voswinkel-Sportgeschäfte vom Parfümimperium Douglas. Mittlerweile gibt es in Deutschland 57 Voswinkel, die einen dreistelligen Millionenbetrag umsetzen. Und jedes Jahr sollen rund drei weitere Geschäfte hinzukommen. Voswinkel-Geschäfte gehören nicht einem einzelnen Genossen, der Mitglied bei Intersport ist, sondern sind über eine Tochterfirma direkt an Heilbronn angebunden. Die Zentrale hat nun also ihre eigenen Geschäfte. Was dazu führen kann, dass Händler Konkurrenz aus dem eigenen Haus bekommen.
Wer die neue Intersport-Strategie zu heftig kritisiere, bekomme auch mal Ärger, behaupten ehemalige Händler. Und wenn man die Genossenschaft verlasse, könne es richtig unangenehm werden. Etwa wenn Intersport allen Lieferanten per Rundbrief mitteilt, dass ein Mitglied nicht mehr von der Zentralregulierung betreut werde. Ein auf den ersten Blick harmloser Satz, der aber gewaltige Konsequenzen hat, wie ein Betroffener sagt: "Er suggeriert,
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, dass du nicht mehr zahlen kannst. Du bekommst von heute auf morgen Ware bestenfalls noch gegen Vorkasse - und kurze Zeit später bist du finanziell nicht nur angeschlagen,
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, sondern pleite."
Intersport hat sich eine bisweilen rüde Gangart angewöhnt. Nicht nur gegenüber abtrünnigen Genossen. Auch Insolvenzverwalter, die nach einer Pleite eines Händlers mit dem Sportimperium zu tun hatten, wundern sich. "So ein schnoddriger Ton ist mir noch nie untergekommen", sagt einer und legt zum Beweis einen unfreundlich verfassten Brief aus Heilbronn vor - mit der Bitte, nicht daraus zu zitieren.
Möglicherweise ist Intersport symptomatisch für eine Branche, in der ein rauer Wind weht. Es geht hart zu im deutschen Sporthandel. Der französische Sporthändler Décathlon, der zur Auchan-Gruppe gehört und fünf Milliarden Euro weltweit umsetzt, greift an. Bisher gibt es elf Großmärkte in Deutschland. Décathlon bevorzugt große Flächen und gilt als preisaggressiv. Was Intersport auch Sorge bereitet: Die Sportartikelhersteller setzen vermehrt auf eigene Geschäfte. So will Adidas ein Drittel seines Umsatzes im Einzelhandel selbst machen. "Diese Entwicklung ist uns ein Dorn im Auge", sagt Jost. Kritisch sieht er auch den Internethandel "mit all den Preissuchmaschinen". Jost zieht gegen den Angriff der Konkurrenz Verteidigungslinien. Mit der strafferen Organisation eben und den Voswinkel-Shops.
Die große Mehrzahl der Jünger hat sich offenbar mit der neuen Intersport-Welt arrangiert: Als Firmenchef Jost nach seiner "Bergpredigt" vom Podium tritt, wollen ihm viele die Hand schütteln. "Die Intersport-Welt ist inzwischen richtig große geworden", staunt Jost. "Ich bin wohl der erste Vorstand, der leider nicht mehr alle Mitglieder persönlich kennt."
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